Rot und kregel

Hannover 96 setzt den Aufwärtstrend mit einem 2:2-Unentschieden gegen den VfL Bochum fort

HANNOVER taz ■ Gut, dass der DFB so dermaßen unpolitisch ist. Sonst hätte er am Tag vor der Bundestagswahl selbstverständlich Hannover 96 auf einen der beiden Vereine aus München treffen lassen müssen, und das Ergebnis des Stellvertreterduells hätte für die eine oder andere Glosse getaugt. Darauf hatte man also verzichtet und die einzige politische Meinungsäußerung des Tages waren Buchstabenschilder von SPD-Sympathisanten, die „Dranbleiben, Rote!“ mit dem bekannten „Dranbleiben, Gerd!“ verketteten. Ja, die Roten sollten dranbleiben und dem 3:1-Sieg in Leverkusen den ersten Heimsieg folgen lassen. Beinahe hätte das auch geklappt. Doch am Ende blieb nur der erste Punkt in der heimischen Arena, formerly known as Niedersachsenstadion, das nun den Namen eines „unabhängigen Finanzoptimierers“ trägt. Optimal begann es für den VfL Bochum, der mit dem Ehrentitel angereist war, in der letzten Zweitliga-Saison die Mannschaft gewesen zu sein, die Hannover 96 die erste Niederlage beigebracht hatte. Am 21. Spieltag!

Und so ging’s heuer los: Einen blitzsauber geschossenen Freistoß von Gudjonsson wischte Fahrenhorst mit dem Kopf ins Tor der 96er: 0:1. Ein Spielstand, der zur Gewohnheit zu werden beginnt, denn in beiden Heimspielen vorher war es nicht anders gewesen. Insofern waren die Hannoveraner auch nicht weiter schockiert, sondern setzten endlich ihr Kombinationsspiel in Gang. Meist nicht präzise genug, aber immerhin sprang eine dicke Chance für „Mo“ Idrissou heraus und unmittelbar vor der Halbzeit der Ausgleich. Stajner, kregel wie immer, passte weit auf Schuler, dessen Flanke abgefälscht wurde, damit Bobic den Ball nur noch über die Linie drücken musste. Sein drittes Tor im dritten Spiel.

Dieser Bobic! Was waren wir skeptisch gewesen. Niemand wollte ihn mehr haben, sogar Gladbach kaufte lieber einen jungen Dänen als den Zeter-Zampano, der auf die Dortmunder Tribüne abgeschoben war. Wiederum Stajner eröffnete die zweite Halbzeit mit einem unwiderstehlichen Solo über das ganze Feld, geriet in der Eile aber in einen so spitzen Winkel zum Tor, dass nichts aus der Führung für 96 wurde. Bochum kam nun nicht mehr aus seiner Hälfte heraus, aber entweder vereitelte der souveräne van Duijnhoven nacheinander die Hundertprozentigen von Idrissou, Lala und Bobic, oder man traf schlicht nicht: wie Stajner und Krupnikovic. „Viel besser als in der zweiten Halbzeit können wir, glaube ich, nicht spielen“, sagte Hannovers Trainer Rangnick nach dem Spiel, und der frisch frisierte Peter Neururer meinte entsprechend, mit einem Unentschieden wäre er „gestern“ nicht einverstanden gewesen, „heute“ aber „absolut“. Das Tor fiel dann doch. Bei einem Freistoß von Krupnikovic rückten die Bochumer kollektiv raus, um die 96er Abseits zu stellen, aber der Linienrichter dachte gar nicht daran, die Fahne zu heben, sodass der älteste Feldspieler der Liga, Carsten Linke (37), einköpfeln konnte. Immerhin schon das neunte Saisontor für Hannover, das damit mehr Treffer erzielt hat als Dortmund oder Schalke.

Die dem Tor folgenden Bochumer Protestattacken, von denen niemand im Stadion so genau wusste, ob sie berechtigt waren oder nicht, endeten damit, dass Neururer sich auf die Tribüne zurückziehen musste. Von dort sah der Trainer, der in seiner an Stationen nicht armen Karriere auch schon ein paar Monate lang in Hannover engagiert gewesen war, in der letzten Viertelstunde dann ein umgekehrtes Bild. Mit meist langen Bällen zwangen die Bochumer Hannover dazu, sich nach hinten zu orientieren. Bemben, zuerst gar nicht, dann logischerweise zu spät angegriffen, gab flach in die Mitte und Tapalovic brauchte nur noch den Fuß hinzuhalten.

Das Fazit einer Zusammenfassung im Agentur-Jargon müsste lauten: In dieser Form werden beide Mannschaften den Klassenerhalt ganz sicher schaffen. Aber Voraussagen wie diese sind natürlich im Fußball wie Wahlprophezeiungen in der Politik: mit Vorsicht zu genießen.

DIETRICH ZUR NEDDEN